Vom Dschungelcamp lernen – Tag 12: Perfekte Beispiele für misslungene Empathie. Aktives Zuhören hätte Zeit gespart.


5. Februar 2025
aktives zuhören 1

Schauen wir uns einige gut gemeinte Empathie-Versuche an, die jedoch erfolglos waren: 

Alessia weint: „Ich vermisse meine Tochter so sehr.“

Lilly: „Ich vermisse meinen Sohn auch.“ 

Alessia schweigt und schaut nach unten, bleibt traurig.

Lilly will mit ihrem eigenen Mutterschmerz Verständnis zeigen. In dem Moment ist sie jedoch bei sich. Der zu Tröstende kann nicht mehr bei sich und seinem Schmerz bleiben. Aktives Zuhören bedeutet, nicht von sich zu erzählen.  


Maurice nach seiner überstandenen Exitnominierung: „Ich habe jetzt schon so abgeschlossen.“

Anna-Carina: „Das darfst du doch nicht sagen. Das ist doch Quatsch.“

Maurice nimmt es zur Kenntnis und schweigt.

Anna-Carina will beschwichtigen. Doch Maurice fühlt sich in seinen Ängsten und seiner Enttäuschung nicht gesehen. Daher: Nicht beschwichtigen, nicht verharmlosen, nichts negieren.


Maurice: „Jetzt habe ich noch mehr ein schlechtes Gewissen wegen zu Hause.“

Jörg: „Wenn du das den ganzen Tag mit dir rumträgst, warum und weswegen, dann schaffst du dir diese blöde Energie. Du musst die positive Energie, die du jetzt hattest, weiter behalten.“

Maurice: starrt in die Leere und geht frustriert. Später sagt er: „Mich kann keiner mehr aufmuntern.“

Jörg macht den Erklärbär zu früh. Erst wenn sich Maurice verstanden fühlt, wird er bereit für kluge Argumente und ggf. „Ratschläge“ sein.


Also setzt er sich abseits der Gruppe und weint. 

Lilly kommt zu ihm, sie sprechen.

Maurice: „Weißt du, das ist mein Traum hier. Anscheinend reicht es nicht. Aber was stimmt denn dann an mir nicht so? Sag mal.

Lilly: „Alles, alles stimmt an dir, Schatz.“

Maurice: „Nein, leider nicht.“

Lilly: „Yes!“

Maurice weint weiter: „Ich bin kurz vor dem Weggehen.“

Lilly: „Nein bist du nicht.“

Maurice: „Doch.“

Lilly: „Nein Schatzi, bist du nicht. Du musst jetzt wirklich für einen Löwen stehen.“

Maurice: „Scheiße, Mann, guck mal, ich will jetzt auch niemand zu Hause enttäuschen. Weißt du so.“

Lilly: „Jetzt musst du kämpfen. Jetzt zeigst du es mal deiner Familie und deinen Leuten.“

Maurice: „Ja, ich will wirklich noch mal alles geben.“

Lilly: „Genau, genau, let’s go Motherfucker.“

Maurice scheint etwas beruhigt, doch seine Trauer und Frust gehen weiter, nur an anderer Stelle.

Lilly beschwichtig, überzeugt, motiviert. Für den Moment ist es Ok, doch wenig später geht sein Drama mit Timur als Gesprächspartner weiter. Wie wir jemanden nun wirklich und schneller aus seinem Tief holen?

So können wir es mit Aktivem Zuhören besser machen:

Beginnen wir mit Alessia. Sie weinte und vermisste ihre Tochter. Lilly sagte: „Ich vermisse meinen Sohn auch.“ Wie hätte sich das Gespräch mit Aktivem Zuhören stattdessen entwickeln können?

Alessia: „Ich vermisse meine Tochter.“

Aktives Zuhören: „Das ist hart für Dich, oder.“

Alessia: „Ja, das ist brutal. Die Kleine ist noch so jung. Ich war noch nie so lange von ihr getrennt. Ich weiß nicht, wie es ihr geht, ob sie mich vermisst. Das macht mich echt fertig.“

Aktives Zuhören: „Du machst Dir Sorgen.“

Alessia: „Ja, und ich weiß nicht, ob sie traurig ist. Ich will nicht, dass sie leidet.“

Aktives Zuhören: „Du willst, dass es ihr gut geht.“

Alessia: „Ja.“

Aktives Zuhören: „Und Du leidest auch ganz schön.“

Alessia: „Ja, mich macht das wirklich fertig hier. Ist vermisse sie so.“

Bis hierhin hören wir wirklich nur zu, wiederholen und bringen das zwischen den Zeilen Gesagte in eigenen Worten zum Ausdruck. Wir sind ganz beim anderen, anstatt vom eigenen Schicksal zu berichten. Auf diese Weise fühlt sich Alessia in all ihren Gefühlen und Bedürfnissen gehört, gesehen und damit verstanden. Sie kann sich beruhigen und ihre Bereitschaft steigt, sich auf aufmunternde Worte einzulassen und den Blick wieder nach vorne zu richten. Das Gespräch könnte also wie folgt mit Aktivem Zuhören und eigenem Input (EI) weitergehen:

Aktives Zuhören/EI: „Ja, das sehe ich Dir an. Du weißt, noch ein paar Tage und dann hast Du sie wieder.“

Alessia: „Ich weiß ja, stimmt schon.“

Aktives Zuhören/EI: „Und weißt Du was, bestimmt ist sie im Hotel mit all den anderen Kindern total abgelenkt und hat ja auch noch den Papa. Der passt bestimmt gut auf sie auf.“

Alessia: „Ich weiß, Du hast ja Recht. Ich muss hier halt durch.“

Aktives Zuhören/EI: „Klar, das ist echt nicht einfach, Du weißt, ich vermisse meinen Sohn auch. Doch gemeinsam schaffen wir das. Wir sind toughe Mütter. Komm, wir bekommen das hin.“

Alessia: „Ja, Du hast Recht. Ich geb mir jetzt Mühe. Und wenn ich gewinne, dann ist sie bestimmt auch ganz stolz auf mich.“


Kommen wir zu Maurice. Er war sich sicher, dass er nach seinem Beinahe-Rauswurf einfach nicht gut genug ist und am nächsten Tag rausgewählt wird. Anna-Carina beschwichtigte: „Das darfst du doch nicht sagen. Das ist doch Quatsch.“ Mit Aktivem Zuhören hätte es so weitergehen können.

aktives Zuhören
Foto: RTL

Maurice: „Ich habe jetzt schon so abgeschlossen.“

Aktives Zuhören: „Das macht Dich echt fertig, oder?“

Maurice: „Wenn ich heute auf der Exitliste stehe, dann bin ich morgen doch weg.“

Aktives Zuhören: „Du machst Dir echt Sorgen, ob Du morgen noch eine Chance hast?“

Maurice: „Ja, Mann. Die finden mich offensichtlich nicht gut genug. Was stimmt den an mir nicht?“

Aktives Zuhören: „Du glaubst also, dass Du was falsch gemacht hast. Dass die Dich da draußen nicht mögen.“

Maurice: „Ja, Mann, das muss doch so sein. Aber ich verstehe es nicht. Ich gebe doch alles hier. Ich verstehe es nicht. Ich bin so enttäuscht von mir. Ich wollte hier gewinnen. Ich will meine Familie nicht enttäuschen.“

Aktives Zuhören: „Dir ist wichtig, hier alles zu geben, damit Deine Familie stolz auf Dich ist.

Maurice: „Ja, Mann. Ich will die stolz machen. Ich habe ein Neugeborenes zu Hause. Ich bin jetzt hier und nicht dort. Da kann ich es doch nicht so verkacken. Ich kann die doch nicht so enttäuschen.“

Aktives Zuhören: „Hast Du die Befürchtung, dass die jetzt sauer auf Dich sind, weil Du ins Camp gegangen bist, Deine Frau alleine mit dem Kind gelassen hast und nun lieferst Du nicht ordentlich ab?“

Maurice: „Ja, genau. So ist es. Ich zweifle jetzt noch mehr als vorher, ob das eine gute Idee war.“

Aktives Zuhören: „Und Du wolltest nur das Beste für Deine Familie.“

Maurice: „Klar man. Ich will dass es denen gut geht. Ich muss für die Familie sorgen. Ich hab jetzt Verantwortung.“

Aktives Zuhören: „Und Dir ist wichtig, dass die sehen, dass Du hier wirklich alles gibst und sich das Ganze für Eure Familie gelohnt hat.“

Maurice: „Ja, genau. Das will ich. Das ist mir wichtig.“

Erst jetzt ist der Moment gekommen, dass wir Maurice davon überzeugen können, dass seine Familie stolz sein wird, dass es sich lohnt zu kämpfen und es nicht nur an ihm liegt, sondern die anderen berühmter, krawalliger oder mit mehr Followern gesegnet sind. Denn erst jetzt fühlt sich Maurice voll und ganz gesehen und verstanden und ist in der Lage, eine andere Sicht zu hören. Nach diesem Gespräch wird er sein Leid nicht noch hundert Mal klagen müssen. Und so hat diese Investition an Zeit, Geduld und Empathie am Ende Zeit und Nerven aller geschont.


Denn wie wir wissen, was sein nächster Kummerkasten Jörg. Er hörte von Maurice, dass er jetzt „noch mehr ein schlechtes Gewissen wegen zu Hause“ hat. Jörg machte den Erklärbär und gab ihm einen guten Ratschlag. Mit aktivem Zuhören hätte er ihn stattdessen abholen können. Der Einstieg in das Gespräch hätte dann so verlaufen können: 

Maurice: „Jetzt habe ich noch mehr ein schlechtes Gewissen wegen zu Hause.“

Aktives Zuhören: „Glaubst Du, dass das alles hier umsonst war und die auf Dich zu Hause böse sind.“

Maurice: „Nicht böse, aber enttäuscht. Und …“

Sie sehen, man kann beim zwischen den Zeilen lesen auch mal knapp daneben liegen, aber er fühlt sich verstanden und erzählt weiter, was ihn bewegt. Er spürt, dass man ihm interessiert zuhören will und fühlt sich durch das Aktive Zuhören mehr und mehr verstanden.


Jetzt werden Sie ein Gespür dafür haben, wie das mit dem Aktiven Zuhören geht. Schauen wir zuletzt noch kurz auf das Gespräch mit Lilly:

Maurice setzt sich abseits der Gruppe und weint. 

Lilly kommt zu ihm, sie sprechen.

Maurice: „Weißt du, das ist mein Traum hier. Anscheinend reicht es nicht. Aber was stimmt denn dann an mir nicht so? Sag mal.

Lilly: „Alles, alles stimmt an dir, Schatz.“

Maurice: „Nein, leider nicht.“

Lilly: „Yes!“

Mit Aktivem Zuhören: „Das ist Dir wirklich wichtig, hier gut auszusehen und abzuliefern.“ Danach hätte sich das Gespräch, wie die Beispiele oben zeigen, anders entwickelt.

Maurice weint weiter: „Ich bin kurz vor dem Weggehen.“

Lilly: „Nein bist du nicht.“

Maurice: „Doch.“

Lilly: „Nein Schatzi, bist du nicht. Du musst jetzt wirklich für einen Löwen stehen.“

Mit Aktivem Zuhören: „So schlimm?“

Maurice: „Ja Mann. Das macht doch alles keinen Sinn mehr.“

Aktives Zuhören: „Du glaubst, dass es morgen vorbei ist.“

Maurice: „Ja, ich hab versagt man. Die wollen mich nicht. Was stimmt denn nicht an mir?“ Wie es jetzt weitergehen könnte, hatten wir bereits.

Maurice: „Scheiße, Mann, guck mal, ich will jetzt auch niemand zu Hause enttäuschen. Weißt du so.“

Lilly: „Jetzt musst du kämpfen. Jetzt zeigst du es mal deiner Familie und deinen Leuten.“

Maurice: „Ja, ich will wirklich noch mal alles geben.“

Lilly: „Genau, genau, let’s go Motherfucker.“

Mit Aktivem Zuhören: „Befürchtest Du, dass Deine Familie enttäuscht ist“

Maurice: „Ja, ich mein, schau mal, ich hab meine Frau mit dem Kind allein gelassen, ich verpasse die schönste Zeit mit dem kleinen Hosenscheißer und jetzt sitze ich hier und bin der totale Looser.“

Aktives Zuhören: „Hast Du die Befürchtung, dass sich der Preis für all das am Ende nicht gelohnt hat?“

Maurice: „Ja, genau. Ich …“

„Ja, genau“ ist immer ein sicheres Zeichen, dass Sie beim Aktiven Zuhören alles richtig gemacht haben. Dass sich ihr Gegenüber wirklich verstanden fühlt.


Kommen wir nun noch zu Timur, der sich vorgenommen hat, Maurice aufzumuntern. Er legt sich zu ihm und sagt: „Komm, ich will Dir mal was erzählen.“ Dann berichtet er von seinem Kampf, den er bei der Geburt seiner Tochter durchzustehen hatte. „Wir waren auch am Ende und wussten nicht mehr weiter und dann haben wir gesagt. Komm, das bringt nichts. Wir dürfen den Kopf nicht weiter hängen lassen. Wir müssen kämpfen und haben 24/7 gekämpft.“

aktives zuhören 2
Foto: RTL

Maurice ist entsetzt. Er entrüstet sich darüber, dass man so eine emotionale Geschichte nicht mit dieser Situation im Camp vergleichen kann. Er unterstellt Timur später sogar, dass er sein Leid nur als Aufhänger benutzt hat, um mit dieser dramatischen Geschichte aufwarten und damit Sendezeit zu generieren. „Du kannst doch nicht diese Story mit dem Rauswurf in den nächsten Tagen oder generell vergleichen. Das geht doch gar nicht. Es ist doch normal, dass ich ein bisschen traurig bin. Ich erzähl doch nicht so eine krasse Lebensstory auf diesen Vergleich“, sagt Maurice, „das passt von vorne bis hinten nicht. Was wollte er damit erreichen?“

Timurs gut gemeinter Versuch ging voll nach hinten los. Somit das letzte No Go: Nicht vergleichen. Und wieder mal, nicht von sich selbst erzählen. Erst den anderen wirklich mit seinen Gefühlen, Gedanken und Bedürfnissen abholen. Dann klappt es mit der Empathie und dann ist unser Gegenüber tendenziell bereiter und offener, unsere Sicht der Dinge zu hören.