Maurice (26) glänzt mal wieder nicht mit Allgemeinwissen. Schon Tage zuvor wusste er nicht, dass Boris Becker im Gefängnis saß. An Tag fünf weiß er nicht, wer Boris Pistorius, Salvador Dali und der Westfälische Frieden ist. Jürgen (67) fragt sich: „Ist das nur was für Blöde, das Format?“ Maurice hat Abitur und sogar ein Studium. Wie kommt es, dass er uns so weltfremd und so wenig gebildet erscheint?
Das mit der Bildungsmisere und den inflationären 1,0 Abitur-Durschnitten ist hinreichend bekannt. Seine Weltfremdheit und auch die von Yeliz (31), die gar nicht wusste, dass es einen Boris Becker gibt, ist leicht zu erklären. Wenn man sich informationstechnisch ausschließlich von Instagram und TikTok ernährt, ist es kein Wunder, dass man in einer Parallelwelt lebt. Der Algorithmus kennt die individuellen Präferenzen und spült auch nur diese News in die Timeline.
„Die mehr oder minder identische Informationsbasis fehlt.“
Wir Alten müssen erkennen, dass die Jungen nicht unbedingt dumm sind, sondern deren Welt eine ganz andere ist. Früher saßen alle Generationen um 20 Uhr vereint vor der Tagesschau oder lasen die klassischen Tageszeitungen. Jeder von uns konsumierte ein buntes Potpourri an Nachrichten, ob wir wollten, oder nicht. Auf diese Weise teilte sich unsere Gesellschaft generationsübergreifend eine mehr oder minder identische Informationsbasis.
Und heute? Gen Z und Y informieren sich über Insta und TikTok. Rentner tendenziell über die klassischen Printmedien. Boomer und Xer klassisch, aber online. Und altersübergreifend mittlerweile sehr viele nicht mehr über im von ihnen benannten „Mainstream“, sondern über Telgram und die weite Welt der „alternativen“ Angebote. Wir alle leben in informationellen Parallelwelten und das macht den Diskurs auch so schwierig. Wenn die Datenbasis über die Fakten so weit divergiert, wird die Diskussion über das „Richtig“ und „Falsch“ sehr mühsam bis unmöglich.
„Maurice bekommt viele Dinge nicht mit, die der herkömmliche Nachrichtennutzer für Allgemeinwissen hält.“
Zurück zu Maurice. In der Insta und TikTok-Welt braucht er sich nur mit News zu beschäftigen, die ihn interessieren. Er wird nicht mehr mit Nachrichten konfrontiert, die er unwichtig, langweilig oder anstrengend findet. Und so bekommt Maurice offensichtlich viele Dinge nicht mit, die der herkömmliche Nachrichtennutzer für Allgemeinwissen hält.
Dieser Trend wird bleiben. Es wird immer schwerer werden, in unseren informationellen Parallelwelten kleine Inseln der Gemeinsamkeiten zu finden, auf denen wir uns einig sind und über das Gleiche reden können. Ob im Job oder privat. Wir entfremden uns. Maurice ist wahrscheinlich nicht dumm, er ist nur durch unser Schulsystem unzureichend gebildet und in einer ganz anderen Welt.
Bis morgen.
Bei RTL+ gibt es die Bewegtbilder und auf meinem OMNI Blog die Reflexionen der letzten Tage zum Nachlesen. https://omnichange.de/blog/
Foto: RTL