Vom Dschungelcamp lernen – Tag 14: ‚Positive-Thinking‘-Phrasen können zur Selbstbild-Fremdbild-Divergenz führen.


7. Februar 2025
Selbstbild-Fremdbild-Divergenz

Ist Ihnen dieser Trend aufgefallen, dass jeder heute authentisch sein will, so bleiben soll, wie er ist und Schwäche zugeben, dass neue mutig ist? Vom Positive-Thinking-Ansatz her ist das sicher gut gemeint und richtig. Doch so inflationär, wie diese Sprüche benutzt werden, dienen sie eher dazu, sich die eigene Welt schön zu reden und die Selbst- und-Fremdbild-Divergenz auszublenden. Ich höre förmlich die Helikoptereltern dieser jungen Erwachsenen, die jeden noch so kleinen Entwicklungsschritt ihres Kindes als Großartigkeit verkauft und jede Unzulänglichkeit als Einzigartigkeit schön geredet haben.

Einige dieser Sprüche waren auch an Tag 14 wieder im Camp zu hören und ich bin geneigt, diese Standardphrasen des Wolkenkuckucksheim-Sprech zu dechiffrieren.

„Ich will so bleiben, wie ich bin.“ / „Ich bin gut so, wie ich bin.“ / „Ich bin einzigartig.“

Dechiffriert: „Wozu sollte ich mich selbst hinterfragen, reflektieren oder weiterentwickeln?! Mir wurde doch immer von Mama und Papa gesagt, dass ich perfekt bin. Die lieben mich so, wie ich bin und dass müsst ihr in der Arbeitswelt jetzt auch. Niemand muss sich verbiegen. Wenn ihr ein Problem mit mir habt, seid ihr das Problem.“


„Schwäche zeigen kann auch eine Stärke sein.“ / „Ich habe es immerhin versucht.“

Dechiffriert: „Das Leben ist schon schwer genug. Meine Eltern hatten auch immer Verständnis mit mir. Ich finde, ihr könntet großzügiger sein. Außerdem habe ich es nicht gelernt, mich anzustrengen und ich will es auch nicht. In meiner Komfortzone fühle ich mich sicher und geborgen.“


„Ich bin doch nur offen und ehrlich.“ / „Ich bin authentisch.“

Dechiffriert: „Ich kann Dampf ablassen, wie und wann ich will. Sollen sie sich doch freuen, dass ich nicht hintenrum über sie geredet habe. Falls jemand verletzt ist, dann ist das sein Problem. Ich habe nur gesagt, was ich denke. Was andere daraus machen, liegt nicht in meiner Hand. Solltet ihr das als rücksichtslos, verletzend und gemein empfinden, dann wisst ihr meine guten Absichten einfach nicht zu schätzen.

OK. Und wenn das Positive Thinking zu gut gemeint und zu sehr missverstanden wurde, dann endet man wie ein Maurice, der sich selbst als ‚Löwe‘ bezeichnet, glaubt „Pfeffer im Arsch“ zu haben und ankündigt „nicht aufgeben zu wollen“. Sein Selbstbild. Das Fremdbild: In und nach einer desaströsen und frühzeitig abgebrochenen Prüfung, in der er weder etwas versucht, noch ausgehalten hat, krümmen sich Lilly und die Moderatoren vor Lachen über sein fortlaufendes „Lilly, Lilly, Lilly“-Geschreie. Er ist in Grund und Boden blamiert und beteuert: „Ich habe es probiert.“ 

Bis morgen.

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Foto: RTL