Gleich vorweg: Nicht jeder hat das gleiche Vermögen, empathisch zu sein. Das ist so ein Talent, von dem der eine mehr und der andere weniger mitbekommen hat. Dennoch lässt sich ein gewisses Maß an Empathie lernen. Zumindest können Sie die Technik des Aktiven Zuhörens erlernen, mit der wir auf unser Gegenüber empathisch eingehen können. Was heißt eigentlich empathisch? Die Antwort darauf scheint so klar. Als Trainerin für Kommunikation stelle ich zu Beginn jedes Seminars jedoch fest, dass unter Empathie lediglich verstanden wird, dass man Mitgefühl für den anderen hat, ihn glaubt, zu verstehen. Für mich bedeutet empathisch sein jedoch auch, dass man in der Lage ist, seine Empathie auch in der Kommunikation zu zeigen.
„Empathie ist mehr als bloßes Zuhören.“
Was will ich damit sagen? Wenn ich meine Teilnehmenden frage, für wie empathisch sie sich auf einer Skala von 1-10 halten, erlebe ich oft, dass sich die Mehrheit bei einer sieben oder acht lokalisiert. Das ist schon sehr hoch. Ich bin beeindruckt. Kommen wir später zu den Übungen, stelle ich fest, dass sich die empathischen Antwortversuche auf „Ja, ich verstehe Dich, aber …“ begrenzen. Haben Sie wirklich verstanden, wie ihr Gegenüber denkt und fühlt? Haben Sie gehört, welche Sichtweisen er hat, welche Antreiber, Motive und guten Absichten zu seinem Handeln führten? Denn genau das ist Empathie: Die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich in die Gedanken- und Gefühlswelt des anderen hineinzuversetzen.
Und das ist verdammt anstrengend. Wir müssen dafür unsere Sicht der Dinge, unsere Perspektive, für einen Moment verlassen und ganz in die Welt des anderen eintauchen. Es ist erforderlich (um das „böse“ Wort müssen nicht zu gebrauchen ; )), dass wir uns mit Ansichten auseinander setzen, die uns fremd, komisch oder sogar zuwider sind. Empathie heißt, in die Welt des anderen einzutauchen. Wie kommt es, dass mein Gesprächspartner so ist, wie er ist? Dass er sagt, was er sagt? Will ich Empathie lernen, ist es notwendig, wirklich zuzuhören. Und das geht mit dem Aktiven Zuhören.
Fangen wir mit den No Go´s an. Wollen wir empathisch sein, reden wir nicht von uns, geben wir keinen Senf dazu und bagatellisieren nicht, was wir gehört haben. Wir nehmen uns ganz zurück. Keine Diskussion, keine Bewertung, nix. Stattdessen wiederholen wir Teile dessen, was wir gehört haben in eigenen Worten. So kann unser Gegenüber feststellen, ob das, was er gesagt hat, richtig bei uns angekommen ist. Und wir sprechen in eigenen Worten aus, was wir zwischen den Zeilen geglaubt gehört zu haben. Das geht sogar, wenn jemand schweigt. Ein Beispiel:
- Peter schweigt, nachdem er in einem Streit nichts mehr zu sagen weiß, oder will.
- Simone: „Ich sehe, dass Du nichts sagst.“
- Peter: „Hm“.
- Simone: „Und ich habe den Eindruck, dass es Dir gerade schwerfällt, etwas zu sagen.“
- Peter: „Hm.“
- Simone: „Das hat Dich gerade sehr geärgert, was ich Dir an den Kopf geworfen habe.“
- Peter: „Na ja, es ist doch immer das gleiche. Du machst immer alles richtig und ich bin der Idiot.“
- Simone: „Und das ärgert Dich, dass ich Dich immer an den Pranger stelle und mich als das Oper sehe.“
- Peter: „Genau. Du machst ja nie etwas falsch. Ich bin der Depp. Ich bin für alles Schlechte was hier passiert verantwortlich. Du bist das arme Hascherl, dass unter meiner Tyrannei leidet. Wie es mir hier geht, ist ja eh vollkommen egal. Das hat Dich noch nie interessiert.“
- Simone: „Und es ärgert Dich, dass Du von mir als der allein Schuldige dargestellt wirst und ich aus Deiner Sicht keine Verantwortung übernehme, für das, was hier passiert.“
- Peter: „Ja, Du sagst es.“
- Simone: „Und Du würdest Dir wünschen, dass ich Dich auch mal frage, wie es Dir geht.“
- Peter: „Ja, das wäre nicht schlecht. Ich halte das hier auch nicht mehr lange aus.“
- Simone: „Für Dich ist der Moment gekommen, wo Du das hier alles auch nicht mehr lange mitmachen kannst. Wo Du Dir eine Veränderung wünscht. Wo Du Dich gesehen fühlst. Und ich sehe, wie es Dir geht.“
- Peter: „Ja, das wäre an der Zeit.“
- Simone: „Ok, verstehe. Kannst Du jetzt hören, warum ich vorhin so heftig reagiert habe, als Du …
- Peter: „Ja, ich weiß schon. Ich versteh das auch. Nur kann ich das nicht vertragen, wenn Du dann immer gleich so die Keule rausholst und alles in Frage stellst.“
Was zeigt uns dieses Beispiel? Hier hat sich Simone, nachdem sie Peter offensichtlich zuvor sehr hart angegangen war, zusammengerauft und wirklich versucht, auf Peter einzugehen. Sie hat ihm zugehört, geduldig, sich nicht gerechtfertigt, nicht widersprochen oder belehrt, sondern sich komplett zurückgenommen und versucht, zu verstehen. Hat wiedergegeben, was sie verstanden hat und seine Gefühle und Gedanken gespiegelt. Und fällt Ihnen etwas auf? Keine Fragezeichen! Das was Simone sagt, hört sich wie Fragen an, sind es aber nicht. Es sind Aussagesätze. Sie hat entweder wiederholt, was Peter gesagt hat, oder aber das, was sie glaubte, zwischen den Zeilen gehört zu haben, in Aussagesätze gefasst.
Hat sich Peter verstanden gefühlt? Ja, hat er. Wir merken das daran, dass er mit „Ja, genau“ geantwortet hat. Meist sagen unsere Gegenüber nicht nur „Ja genau“, sondern reden ermutigt weiter und geben so mehr Informationen über ihr Innenleben preis. Es wird ihnen ja mal wirklich zugehört. Simone war so in der Lage, Peter immer besser zu verstehen. Und Peter fühlte sich nach einer Zeit so verstanden, dass er wieder die Bereitschaft hatte, Simone zuzuhören. Sogar bereit war zuzugeben, dass sein Verhalten nicht adäquat war. Und hat Simone ihm Recht gegeben? Nein. Sie hat nur zugehört und signalisiert, dass sie ihn verstanden hat. Dank des Aktiven Zuhörens konnte Simone Peter aus dem Schweigen holen.
„Empathie lernen lohnt sich für den Alltag und das Berufsleben.“
Und Dank des Aktiven Zuhörens können auch Sie Empathie lernen. Es lohnt sich. Nicht nur für den Hausgebrauch. Aktives Zuhören bietet sich für die Deeskalation im Kundengespräch an, ob im Call Center oder Supermarkt. Es lohnt sich für schwierige Mitarbeitergespräche oder die Bedarfsermittlung in der Verkaufsberatung. Es hilft bei Teamkonflikten und im Recruiting neuer Mitarbeitenden. Aktives Zuhören ist für mich eine Allzweckwaffe. Oder besser: die elementare Technik für ein empathisches Miteinander.
Was braucht es außer der Technik noch, um empathisch zu sein? Es braucht Geduld, Zeit und sehr viel Wohlwollen. Geduld, weil wir immer gleich alles zu glauben wissen und stattdessen neugierig zuhören sollten. Zeit, weil Zuhören zunächst Zeit kostet. Und Wohlwollen, weil wir nur mit gutem Willen in der Lage sind zu glauben, dass derjenige, der etwas getan hat, uns nicht bewusst schaden wollte, sondern eine gute Absicht für sich selbst verfolgt hat. Er hat gut für seine Bedürfnisse gesorgt und dabei leider für einen Kollateralschaden gesorgt. Das passiert. Sicher nicht schön, doch oft unvermeidbar. Und vergessen wir nicht die Bereitschaft und Offenheit. Bin ich bereit, meine Sichtweise zu verlassen und die des Gegenübers zu hören? Es ist doch viel leichter, auf der eigenen Seite und damit bei der eigenen Sichtweise zu bleiben.
„Empathisch sein kostet Kraft und Zeit und verlangt Wohlwollen und Offenheit.“
Es ist viel bequemer, sich zu denken „Das ist ein Idiot, fertig, ich gehe“ als sich die Zeit und Kraft zu nehmen, dem anderen zuzuhören, so bekloppt das für uns sein mag. Aus meiner Sicht scheitert Empathie vor allem daran, dass wir gar nicht hören wollen, was der andere zu sagen hat, da wir ihn schon abgeurteilt haben. Es scheitert daran, weil wir nicht wirklich offen sind und uns im Recht fühlen, basta. Es ist mühsam, sich dem anderen wirklich zu widmen.
Das merken auch die Teilnehmenden nach den Übungen im Seminar. „Das ist echt anstrengend, sich so zurückzunehmen und dem anderen wirklich zuzuhören.“ Ja, genau, sage ich dann. „Und es bringt wirklich etwas. Die Zeit, die man für das Zuhören investiert, gewinnt man am Ende wieder, denn die Konflikte spulen sich nicht weiter hoch.“ Genau, die Bereitschaft unseres Gegenübers, unsere Sicht der Dinge zu hören und nicht weiter aneinander vorbeizureden, steigt mit dem Aktiven Zuhören enorm. Dadurch verkürzen sich Konflikte und Lösungen werden möglich. Versuchen Sie es doch einmal und klettern Sie auf Ihrer ganz persönlichen Empathieskala etwas höher.
Teilen Sie mir gerne mit, welche Themenwünsche Sie für weiter Blogartikel haben. Melden Sie sich, wenn Sie Fragen haben oder ganz anderer Meinung sind. Ich will es wissen, will offen sein und auch von Ihnen lernen!
In diesem Sinne „OMNICHANGE“, alles ist im Wandel und mehr dazu auch nächste Woche wieder im OMNI Blog. Auf ein gutes Miteinander,
Ihre Daniela Scherler