Jetzt seien Sie nicht so entsetzt. Ja! Ich schaue das Dschungelcamp. Seit Ewigkeiten. Immer wieder gern. Mit großem Genuss. Und nicht nur zur Unterhaltung. Auch für meinen Job ist es sehr ergiebig. Es schenkt mir zahlreiche Anregungen für meinen Berufsalltag. Für mich als Trainerin und Coach ist dieses Format ein wahrer Segen: Eine Fundgrube an Beispielen misslungener Kommunikation, Aspekten der Persönlichkeitsentwicklung und Erkenntnissen zur Teamentwicklung.
Schauen wir zwei Jahre zurück: Zwei Protagonisten erzählen uns zwei Wochen lang sehr eindrücklich und nachvollziehbar, warum sie wie für ihre sexuelle Orientierung in ihrem Umfeld diskriminiert wurden. Wie schwer ihr Weg war und was sie sich von all den Hatern da draußen wünschen: nämlich Respekt. Dabei empfand ich die beiden als authentisch, menschlich und zu Anfang auch sehr sympathisch. Und was machen diese aufrechten Kämpfer für Respekt, Anti-Diskriminierung, Anti-Homophobie, Anti-Transgender und Anti-alles? Sie beschimpfen einen Camp-Kollegen im Streit als „lebenden Clown, Riesenbaby oder großes, fettes Baby“.
Nicht selten projizieren wir auf andere unsere eigenen Schatten und Defizite.
Ist das jetzt so mega respektvoll? Ist es ein Verbrechen, übergewichtig und nicht superschlau zu sein? Na klar waren diese Ausbrüche aus dem Affekt. Und doch hatte ich den Eindruck, sie wollten ihm zeigen: Du bist ein Niemand, ein Nichts, ein Depp. Ne, das fand ich nicht so klasse. Und es zeigt eben auch, dass diejenigen, die sich als Opfer fühlen und am lautesten nach Respekt rufen, selbst zu Tätern werden können. Nicht selten projizieren wir auf andere unsere eigenen Schatten und Defizite.
Was hilft uns diese Erkenntnis jetzt für den Job? Fassen wir uns an die eigene Nase: Was werfen wir Kollegen offen oder insgeheim vor? Verhalten wir uns gegenüber anderen vielleicht ähnlich und merken es nicht? Vielleicht agieren wir nicht ganz so krass wie die Kollegen, aber doch in Ansätzen? Und wie möchten wir von diesen Personen behandelt werden? Behandeln wir uns selbst so, wie wir wollen, dass diese uns behandeln? Sind wir uns selbst gegenüber ausreichend respektvoll? Also gegenüber unseren Bedürfnissen, Grenzen und Ressourcen? Warum sollten uns andere besser behandeln als wir selbst?!
Einfach mal sacken lassen und heute Abend das Dschungelcamp gucken. Und falls Sie es nicht schaffen, dann aber bitte ab morgen hier vorbeischauen und lesen, was uns der Abend an neuen Erkenntnissen geschenkt hat.
Das ist zumindest mein Plan: Täglich meine Dschungelcamp-Erkenntnisse für den Job und das Leben an Sie weitergeben. „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ bedeutet für mich die nächsten zwei Wochen „Gebt mir gute Unterhaltung und lasst mich vom Dschungel lernen“. Seien Sie dabei. Ich freue mich riesig drauf.
Foto: Ralf Breuer/RTL/dpa